Von Agadir nach Marrakech

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Von Agadir durch das Vallée du Paradis nach Marrakech. Neben Marrakech selber, war die viertgrösste Stadt Marokkos der Ausgangspunkt für Tagesausflüge ins Atlasgebirge an den Stausee von Ourigane, sowie die Wasserfälle von Ouzoud. So lautete der Plan für unseren 6-tägigen Kurztrip nach Marokko.

Bereits beim Landeanflug auf Agadir lassen sich durchs Fenster die grandiosen roten Felsen mit den tiefen Zerklüftungen des Atlasgebirges erkennen. Schon mal ein viel versprechender Auftakt für eine mit hohen Erwatungen gespickte Fotoreise.

Anflug auf Agadir über Atlas Gebirge MAR

Mit dem Mietwagen ging es zunächst westlich an Agadir vorbei, über die P1001 ins Vallée du Paradis (Tal des Paradis). Bereits kurz nach Verlassen des Grossraums Agadir, lässt sich die Schönheit diese Landes erahnen und man taucht in das typische Rot(braun) Marokkos und das karge Leben der Berber in den Bergen ein. Ein heftiger Kontrast zum Touristentrubel an der Küste. Die Strasse in die Berge ist zumeist gut asphaltiert, aber man muss immer wieder auf der Hut vor kraterartigen Schlaglöchern sein. Bei den enormen Temperaturunterschieden zwischen Tag&Nacht auch kein Wunder, da der Asphalt hier enormen Belastungen ausgesetzt ist.

Route P1001 la traverse de la vallée du paradis

Die Freundlichkeit der Landbevölkerung, welche zumeist Berber sind, ist auffällig. Bei einer Rast an einer kleinen Dattelpalmen Oase, kommen wir sofort mit dem netten Ladenbesitzer und einem rastenden französischen Motorradfahrer ins Gespräch. Nachdem sie erfahren, dass wir auf dem Weg nach Marrakech sind, heißt es nur „Marrakech c’est pas le Maroc! Marrakech c’est Arnaquech…“. Was soviel heißt wie – Marrakech ist nicht Marokko. Marrakech ist eine Betrügerhochburg. Ja wir hatten solche Dinge auch im Vorfeld gelesen, aber es von einem Einheimischen zu hören…Man hörte schon klar heraus, dass sich die Berber und die Araber nicht ganz grün sind. Bei den Berbern in Ourigane hören wir später Ähnliches.

Strasse ins Vallée du paradis

Im Paradis angekommen, stehen die Parkplatzanweiser mitten auf der Strasse und wollen einen quasi direkt von der Strasse in die Touristenfalle lotsen. Bei uns ohne Erfolg – wir lächelten, fuhren aber langsam weiter. Oben konnten wir dann in einer Spitzkehre in Ruhe die Aussicht auf das Paradis genießen. Unten im Tal tummelten sich die Touristen an den Wasserstellen.

La vallée du paradis touristique

Das Atlasgebirge erreicht zwar hier kurz nach der Küste nur maximal 1430m Höhe, dennoch benötigt die P1001 zahlreiche Spitzkehren , um sich durch die Berge zu schlängeln. Mitten im Nirgendwo saß plötzlich am Wegesrand ein junger Mann an einem Tisch und bot Mandeln zum Verkauf an. Da es nebenan einen Aussichtspunkt gab, kauften wir eine Tüte. Es waren die besten Mandeln, die wir jemals gegessen hatten! Ein unvergleichliches Aroma. Er erzählte uns, dass die Mandelbäume direkt hier nahe seinem Haus um die Ecke wachsen. Und tatsächlich etwas versteckt tauchte genauso wie er selber, plötzlich um die Ecke ein Haus auf. Wir kauften gleich noch einen zweiten Beutel, da der erste doch ziemlich schnell zur Neige ging. Leider immer noch viel zu wenig – wie wir im Nachhinein feststellen mussten. So leckere Mandeln haben wir auf unserer weiteren Reise durch Marokko nicht mehr finden können.

Knoten P1001 und P1004

Typisch immer wieder die bis zum Bersten beladenen LKW. Für einen Mitteleuropäer nahezu unvorstellbar, aber es funktioniert. Im Gegenteil das erdet einen wieder ein wenig und lässt einen über die übertriebene Vollkasko-Mentalität von uns West-Europäern nachdenken.

Von der P1001 ging es weiter auf die P1004 in Richtung Aït Hassaïn . Da es inzwischen später Nachmittag war und wir noch gut 200 km vor der Brust hatten, fuhren wir nach den 65km durch die Berge, auf die parallel zur Autobahn A7 verlaufende N8. Wir wollten gerne vor Einbruch der Dunkelheit in Marrakech ankommen. Obwohl nicht mehr ganz so schön wie die das Vallée du Paradis, finden sich auf dieser Route auch immer wieder einige Sehenswürdigkeiten links und rechts. Wie zum Beispiel der Stausee Barrage Abdelmoumen bei Tassademt.

Barrage Abdelmoumen

Allerdings muss man noch knapp 30km auf der N8 fahren, um schlussendlich auf die Autobahn auffahren zu können. Anschlussstellen sind rar gesäht. Wozu auch – die Besiedllungsdichte ist in dieser Region immer noch sehr gering. Im Hotel in Marrakech angekommen, freuten wir uns erstmal auf eine Dusche und das erste Abendessen in Marokko.

Für den morgigen Besuch der Medina von Marrakech hatten wir uns bereits von Deutschland aus einen offiziellen Touristenführer gebucht. Sein gefordertes Salair von 110 EUR/Tag ist für marrokkanische Verhältnisse maßlos überzogen -da es fast einem Monatslohn entspricht- aber im Nachhinein waren wir doch froh mit einem erfahrenen Guide durch die Medina gegangen zu sein. Dennoch hielt ihn unsere exklusive Entlohnung nicht davon ab, uns all seine „Geschäftspartner“ vorzustellen. Vom Teppichhändler, über den Schuhmacher bis hin zum Kräutermacher, war alles dabei.

Die Vorführung beim Teppichhändler konnte ich nach knapp 3 Minuten mit meiner Allergie beenden. Bei anderen „Partnern“ wiederrum wurde es teilweise langatmig. Ein echtes Highlight war jedoch der Besuch einer in den Tiefen der Medina versteckten Lampenmanufaktur. Der Besitzer hat grosse Angst vor Kopien und hat deshalb kein öffentliches Ladenlokal. Er war zunächst skeptisch bezüglich meiner Bitte Fotos machen zu dürfen, stimmte aber schlussendlich zu.

Lampengeschäft – Ein Traum aus 1001 Nacht

Das war eindrucksvolle Handwerkskunst, die da vor unseren Augen stattfand. Da war es für uns selbstredend, dass wir -nach extrem zähen Preisverhandlungen- eine der orientalischen Lampen kauften. Die Arbeiten sind sehr filigran und zeitraubend. Jedes Teil ist ein Unikat – kein machinell hergestellter Billigschrott aus China, wie er in der Medina zuhauf feilgeboten wird. Eine Handwerkskunst, die erhalten bleiben muss.

Neben seinen Geschäftspartnern besuchten wir auch die zahlreichen Sehenswürdigkeiten Marrakechs, wie die aus dem 12. Jh. stammende Koutoubia Moschée, den Dar El Bacha Palast oder den historischen Cyber Parc Arsat Moulay Abdeslam.

Alles in allem war unser Fazit für Marrakech – eine unheimliche faszinierende Stadt aber auch unheimlich anstrengend für den durchschnittlichen Westeuropäer. Das ungeheure Gewusel und der fortwährende Verkaufsdruck in allen Läden in der Medina ist zumindest für unser Gemüt auf Dauer ermüdend. Selbstverständlich kann man immer dankend ablehnen und muss nichts kaufen. Aber entspannend ist das nicht. Die Sinneseindrücke dieser Stadt sind dagegen berauschend. Die verwinkelten Gassen, die bunten Marktstände, die orientalische Architektur und auch der krasse Gegensatz zwischen alter Kultur und Moderne. Darum würde wir gerne noch einmal wiederkommen – wenn auch wieder nur für einen Tag.

Am dritten Tag ging es von Marrakech aus zurück in die Berge, aber diesmal ins Zentral-Atlasgebirge bei Ourigane. Das Berberdorf Ourigane liegt kanpp 100km südlich von Marrakech auf 1000m Höhe und hat knapp 6000 Einwohner. Hauptattraktion ist der Stausee Barrage d’Ourigane. Am Ende des Dorfes -direkt am Ufer des Stausees- gibt es eine Schule. Dort stellten wir unseren Wagen ab und wollten die Gegend erkunden. Vor der Schule stand ein Mann, den wir nur kurz fragen wollten, ob das wir das Auto dort stehen lassen könnten. Daraufhin entwickelte sich ein intensives Gespräch und gar der Austausch unserer Telefonnr.

Barrage d’Ourigane – das Wasserreservoir für Marrakech

Er erzählte uns, dass er gerade sein Kind von der Schule abholen kommt und in Ourigane aufgewachsen ist. Das sich die Lebensbedingungen seit dem Bau des Staudammes vor einigen Jahren gravierend verschlechtert haben. Der Stausee dient ausschließlich der Wasserversorgung von Marrakech. Die Anwohner dürfen weder Wasser für ihre Felder entnehmen, noch darin Baden. Der boomende Tourismus ist noch nicht wirklich in Ourigane angekommen, so dass sich die Bedingungen für die Berber eher verschlechtert haben.

Auf Marrakech angesprochen, kristallisierte sich erneut ein eher angespanntes Verhältnis zwischen den Berbern und den Arabern heraus. Er selber fährt äußerst ungern nach Marrakech, welches überwiegend in arabischer Hand liegt. Das aggressive Handelsgebahren und Auftreten der Araber dort, widerstrebt den Berbern generell. Ebenso der alltägliche Nepp mit Touristen missfällt ihnen. Er erzählte uns das sämtliche Teppiche, die teuer in den Souks von Marrakech verkauft werden, in mühevoller Handarbeit in den Bergen von Berberfrauen für ganz kleines Geld hergestellt werden. Also wenn einer mit dem Gedanken spielt einen Orientteppich zu kaufen, dann kauft ihn direkt in den Bergen. Da seid ihr sicher Originale zu bekommen.

Er bot uns an uns durch die Berge um Ourigane herum zu führen. Wir hätten das gerne gemacht, allerdings waren wir bereits viel zu spät dran. Ein Trip in die Berge, die hier bis auf 2200m gehen, hätte mehrere Stunden gebraucht. Wir einigten uns darauf die Mobilnummern auszutauschen und evtl. für morgen eine Bergtour zu planen. Leider wurde nichts daraus, da wir uns am Abend doch entschieden beim ursprünglichen Ziel Ouzoud Wasserfälle zu bleiben. Kurzerhand sagten wir ihm per SMS ab.

Obwohl wir die Rückfahrt nach Marrakech über die gleiche Strasse machen mussten, fielen uns auf dem Rückweg ganz andere Dinge als auf dem Hinweg auf. Anderes Licht, andere Perspektive und man entdeckt neue Dinge. Eine Feststellung, die wir schon öfter auf Reisen machen konnten.

Zurück im Hotel in Marrakech gab es am Abend die offenbar unvermeidlichen Folklore Aufführungen. Hochzeitsritual in Tracht mit Turnschuhen und die Braut macht Bauchtanz. Da wurde wohl einiges touristengerecht zusammengemischt… Dennoch ist Körperbeherrschung einer Bauchtänzerin wirklich unglaublich und sehenswert.

Am nächsten Morgen ging es früh los in Richtung Ouzoud Wasserfälle. Diese liegen gute 150km nordöstlich von Marrakech und sollen ein echtes Highlight Marokkos sein. Allerdings braucht man für 150km in Marokko halt seine 2,5 bis 3 Stunden. Meine Fotografiersucht verlangsamt dies nochmal um einiges. Aber Hey! Beim Reisen ist der Weg das Ziel und die Erinnerungen durch die Fotos, ein unschätzbarer Wert.

Kurz vor Ouzoud haben wir noch einen jungen Anhalter am Strassenrand mitgenommen. Kurze Zeit später bleibt uns fast das Herz stehen – Polizeikontrolle am Ortseingang und wir mit einem fremden marrokkanischen Jungen im Auto. Glücklicherweise wurden wir glatt durchgewunken. In Ouzoud selber wollte der Junge dann nicht wirklich aussteigen, sondern im Auto bleiben. Wir versuchten ihm dann mit Französisch und Händen&Füßen klarzumachen, dass wir nicht weiterfahren. Schlussendlich hat er es dann irgendwie vestanden. Da will man freundlich sein…aber ok – ist ja nix passiert. Aber mit der Polizei sollten wir auf dem Rückweg auch nochmal Bekanntschaft machen.

Schnell hatten wir das Auto auf einem der „bewachten“ kostenpflichtigen Parkplätze abgestellt und schon stand der erste local Guide vor uns. Wir lehnten dankend ab und wollten uns auf den Touristenpfad Richtung Wasserfälle machen, als uns ein weiterer Mann auf Französisch ansprach. Er riet uns nicht diesen Weg zu gehen, sondern bot an uns einen anderen Weg zu zeigen. Nach den ganzen Erlebnissen in der Medina von Marrakech war ich zunächst mißtrauisch, hatte aber irgendwie ein gutes Bauchgefühl mit ihm. Und das sollte sich als Volltreffer herausstellen. Wir verbachten den ganzen Tag miteinander und er führte uns tief in das Tal, welches auf die Ouzoud Wasserfälle folgt, hinein.

Wir gingen quasi genau entgegengesetzt zum Touristenstrom um die Wasserfälle herum. Er erklärt uns, dass alle Olivenhaine unter den Familien hier aufgeteilt sind und das jeder Baum entsprechend mit Zeichen markiert wird. Er zeigt uns versteckte Spinnenbehausungen oder präsentiert uns die speziellen Kräuter und Sträucher in seiner Region. Unterwegs treffen wir auf einen dreibeinigen Hund, der uns fortan bis in das tiefe Tal folgen wird. Da das ganze in eine mittelalpine Klettertour ausartete, fragten wir uns an einigen Stellen, wie er das mit seinen drei Beinen meistern will. Aber er nahm jedes Hindernis. Am liebsten hätten wir ihn mit nach Hause genommen. Ein toller Hund. Nach knapp 2 Stunden erreichten wir das Ende des Tals und waren an einer wunderschönen Felsformation angekommen, die im Anschluss in neues Tal führt. Dieser Bereich war für mich noch schöner als die eigentlichen Wasserfälle. Und bis auf ein spanisches Pärchen, waren wir alleine.

Der Weg zurück zu den Wasserfällen kam uns noch beschwerlicher vor und an einer Stelle wären wir ohne die Hilfe unseres Führers nicht weiter gekommen. Runter auf dem Hinweg war eine Sache, aber da wieder rauf gestaltete sich schwieriger als gedacht. Und ich hatte ja noch meine Kameraausrüstung zu stemmen.

Zurück an den Wasserfällen ladeten wir unseren Führer noch zum Essen ein und entlohnten ihn reichlich. Allerdings hatten wir eigentlich nicht genug Geld dabei und suchten nach einer Lösung. Geldautomat kam nicht in Frage, da es in Ouzoud keinen gibt. Daraufhin einigten wir uns mit einem Händler, der Kreditkarten akzeptierte darauf, dass er uns gegen Provision Bargeld auszahlte. Wir bedankten uns nochmal herzlich bei unserem Führer, der quasi den gesamten Tag mit uns verbracht und uns tolle Eindrücke geschenkt hat. Unterwegs musste er übrigens mehrmals mit seiner Frau telefonieren, um ihr zu erklären warum er nicht nach Hause kommt.

Nun hieß es die beschwerliche Rückreise nach Marrakech anzutreten.

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